Grenzgänger

Willkommen in Schottland

Freitag, 15. Juni 2018 – Tag 11 – Haltwhistle bis Moffat

  • 97 km von total 998 km
  • 5:39:59 Stunden Fahrzeit netto
  • 17,1 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit Fahrzeit netto
  • 6:18:44 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
  • Wolkig, trocken
  • Temperatur 10 – 12 Grad Celsius
  • Wind 20 – 32 km/h (4 – 5 Beaufort) aus SW bis W

Unter den dichten Bäumen im lauschigen Tal des South Tyne ist er zwar kaum zu sehen, doch der graue Himmel weckt keine Illusionen für den heutigen Tag. Aber es hilft alles nichts, diesen schönen Campingplatz muss ich wieder verlassen.

Der Wind weht immer noch recht kräftig aus Südwest bis West. Heute morgen ist das aber nicht meine größte Herausforderung. Mein Weg führt mich aus dem Flusstal heraus und zurück auf die direkte Route, die mich dann zuerst nach Brampton führt.

Ich habe die Qual der Wahl. Oder eher die Wahl der Qual. Drei schmale Sträßchen führen zurück zur A689. Wider jede Vernunft wähle ich den direkten, den kürzesten, den mittleren Weg. Eigentlich sollte mir klar sein was es bedeutet. Egal, ich überquere wieder die Featherstone Bridge und mache mich an die Arbeit.

Knapp hundert Höhenmeter beträgt der Unterschied auf den ersten fünf Kilometern. Nur dass es nicht gradlinig nach oben geht, sondern immer schön auf und ab. Die giftigen, steilen Anstiege bäumen sich bis zu 20% vor mir auf. Keine Chance dort hoch zu radeln. Auch nicht im Wiegetritt. Also absteigen und schieben. Ein paar Mal. Und so ist mir gleich richtig warm als ich die Hauptstraße erreiche.

Jetzt bin ich zurück im Verkehr. Nicht zu knapp. Und so wird es dann auch für den Rest des Tages bleiben. Zehn Kilometer munter wellig, immer hoch und runter. Dann eine lange Abfahrt hinein nach Brampton. Als ich den Ort verlasse hoffe ich auf eine ruhige Straße. Leider vergeblich. Dazu kämpfe ich gegen den ekligen, kühlen Wind aus Südwest, der mich schräg von vorne beutelt.

An der schottischen Grenze der obligatorische Fotostopp. Ich lasse mich begrüßen. Symbolisch durch das Schild. Das Ganze eher unspektakulär. Blumenketten gibt es hier keine. Aber ich habe Schottland erreicht. Ein erster Meilenstein.

Kurz hinter der Grenze liegt Gretna Green. Der kleine Ort hat eine gewisse Berühmtheit erlangt. Vor über 200 Jahren wurden in England die Gesetze verschärft sodass Minderjährige nur noch mit Erlaubnis der Eltern heirateten durften. In Schottland blieb man da wesentlich lockerer. Da Gretna Green das erste Dorf hinter der Grenze war, zog es viele minderjährige Paare dorthin, wo sie ohne Einverständnis der Eltern heiraten durften. Der Dorfschmied war im Prinzip die einzige Amtsperson, und so wurde der Bund fürs Leben praktischerweise direkt in der Schmiede geschlossen. Mit einem Schlag auf den Amboss.

Heute ist die berühmte Schmiede von Gretna Green ein Touristenmagnet. Aber geheiratet wird auch noch immer. An diesem trüben, grauen Tag hält sich der Andrang jedoch sehr in Grenzen. Und weil Hochzeit und Ehe nun nicht wirklich mein Thema sind, zieht es mich schnell weiter. Zurück auf die verkehrsreiche Straße.

Langsam aber sicher schwenkt meine Richtung nun gen Norden. Das macht den Wind etwas erträglicher. Es bleibt zwar ein ekliger Seitenwind, aber zumindest weht er nicht mehr schräg von vorne. Ablenkung gibt es kaum auf dieser tristen Strecke. Monotonie pur. Ein Kampf nicht nur für den Körper sondern auch für den Geist. Die Straße verläuft ständig parallel zur Autobahn. So berieselt mich nicht nur die Geräuschkulisse der direkt an mir vorbeifahrenden Fahrzeuge, sondern auch von der Autobahn dröhnt und brummt es ständig herüber.

Nach zähen 25 Kilometern erreiche ich Lockerbie. Ein Ort mit trauriger Berühmtheit, seit 1988 über der Kleinstadt eine Boeing 747 der Pan Am durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht wurde. Da der Tag schon trist genug ist, verzichte ich auf einen Besuch des Mahnmals. Irgendwie muss ich noch die letzten 25 Kilometer des Tages hinter mich bringen.

Damit es mir nicht zu wohl wird, wird hinter Lockerbie der LKW-Verkehr heftig. Ich beschäftige mich mit der Frage warum sie nicht die Autobahn nehmen. Einige Kilometern später erhalte ich die Antwort. Ein großer Rasthof wurde nicht direkt an die Autobahn gelegt, sondern zwischen zwei Ausfahrten an die Nationalstraße. Erst nachdem ich die nächste Autobahnausfahrt passiert habe wird es tatsächlich schlagartig ruhiger auf meiner Straße.

Das Wetter, der Verkehr, der durchweg schlechte Straßenbelag, die monotone Strecke. Ich bin ziemlich genervt. Langsam wird die Landschaft jedoch schöner. Grüne Hügel rücken näher an die Straße während ich mich die leichte Steigung im Tal des Flusses Annan hinauf arbeitete.

Insgesamt bleibt jedoch sehr wenig was den heutigen Tag in guter Erinnerung halten würde. Eigentlich das perfekte Teilstück für eine Nachtfahrt. Man versäumt absolut nichts. Nirgendwo war es bisher so eintönig. Selbst Sonnenschein würde vermutlich nichts retten.

An meinem Tagesziel in Moffat wird der Campingplatz mit einem strengen Regime geführt. Es ist wieder ein Platz des Camping & Caravaning Club. Da ich schon vorab reserviert habe, ist die Anmeldung schnell erledigt. Erspart mir aber nicht die ausführliche Einweisung in die Platzregeln. Aber was soll mich heute noch groß berühren.

Ich baue mein Zelt auf, bekomme dabei Besuch von einem kleinen Häschen. Ganz zutraulich ist es, knabbert in meiner Nähe am saftigen Gras. Ein Co-op ist auch gleich um die Ecke. Ein kurzer Spaziergang und das Abendessen ist gesichert.

Um den Tag ein endgültiges Sahnehäubchen aufzusetzen, drohen die Wetteraussichten für den morgigen Samstag mit ausgiebigen Regen. Also wird meine Regenausrüstung wohl das erste Mal zum Einsatz kommen. Den ganzen Tag zu schwimmen klingt nicht sehr verlockend. Aber die Vorhersage für Sonntag sieht nicht besser aus. Außerdem kommen morgen meine Freunde vom Kanu-Club Kelsterbach an und ich würde den Abend gerne mit ihnen verbringen.

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de_DEDeutsch