Sommerreisen 2019 – Die Erste – 8. Mai – Tag 2 von ???
Strecke: 142,8 km – Fahrzeit: 7:37:45 – Höhenmeter: 468 – Temperatur 5° – 15° Durchschnitt 9° – Wind mäßig aus westlichen Richtungen – Bis zur Hälfte schwacher bis mäßiger Nieselregen
Gut, ganz so schlimm wie der Titel andeutet ist es dann doch nicht. Vermutlich wäre die Tour heute sogar ganz schön gewesen. Aber es ist ein grauer, nasser Tag, kein angenehmer.
Kurz nach sechs Uhr werde ich wach. Nach mehr als acht Stunden tiefem, ungestörten Schlaf. Eine halbe Stunde später stehe ich auf. Es ist trocken, aber kalt. Die Waschräume sind nicht geheizt. Also nur Katzenwäsche. Müsli zum Frühstück. Zum Tee kochen habe ich bei den Temperaturen keine Lust. Saft ist auch okay. Ich packe schnell zusammen, ziehe mich warm an und dann bin ich weg. Punkt neun Uhr rolle ich los.
Es geht flach durch Felder und Wiesen. Und nach einer guten Viertelstunde beginnt es zu nieseln. Nieselregen wird von nun an den halben Tag mein Begleiter sein. Zum Glück nicht sehr stark, sodass ich nicht richtig nass werde. Schnell erreiche ich die Fulda, will dem Fuldaradweg bis kurz vor Hann. Münden folgen.
Meistens folgt der Radweg dem Fluss und zumindest das Radeln ist entspannt. Ich komme gut voran. Auch wenn die Beine heute deutlich müder sind als gestern. Immer wieder muss ich die Flussseite wechseln. Eigentlich an jeder Brücke. Ganz nett mal die andere Seite zu sehen, aber die Steigungen hoch zu den Brücken müssten nicht sein.
Bad Hersfeld ist die erste größere Stadt, Bebra streife ich nur, durch Rotenburg geht es direkt hindurch. Alles hübsche Städtchen, aber bei dem Schmuddelwetter ist Anhalten nicht verlockend. Nach gut 40 Kilometern die erste Pause. Zwangspause. Ich muss etwas essen und trinken. Mich einen Augenblick ausruhen. Finde eine Bushaltestelle die mir ein Dach über den Kopf bietet. Jetzt wo ich anhalte wird mir schnell kalt. Also nur kurze Pause und weiter. Der Nieselregen wird nun auch etwas stärker. Aber noch erträglich. Denke kurz daran meine Regenklamotten auszupacken. Entscheide mich dann aber doch, noch abzuwarten ob der Regen stärker wird.
Bei dem kleinen Örtchen Altmorschen beginnt wohl die mittlere Fulda. So sagt es jedenfalls eines der vielen Schilder. Und mit der mittleren Fulda kommen Schleifen, viele Schleifen. Die bringen Kilometer. Und natürlich weiter das muntere Ufer-wechsel-dich-Spielchen. Dazu wird das Fuldatal nun eng. Das bedeutet nichts Gutes. Jedes Mal wenn der Weg das Ufer auch nur ein wenig verlässt geht es rauf. Kurze, ruppige Steigungen die in den Beinen schmerzen. Naja, danach geht es ja immer wieder runter. Bringt Abwechslung.
In Melsungen wird es trocken. Der Regen hört tatsächlich auf. Wärmer wird es immer noch nicht. Der Himmel weiter grau in grau. Von Melsungen bleibt nur hängen dass man sich zwar viel Mühe gibt den Radweg herzurichten, nur eine Umleitung fehlt, als er dann ein Stück weit komplett gesperrt ist. Naja, Navi hilft. Aber es ist ein Radfernweg, Leute. Denkt doch mal an auswärtige Radler die sich nicht auskennen oder ohne Navi unterwegs sind. Soll es ja geben.
Irgendwo komme ich an einem Wegweiser nach Kassel vorbei. Die Straße sagt 25 Kilometer. Der Radweg sagt 40 Kilometer. Ein kurzer Blick auf die Hügel die sich links und rechts des Flußes auftürmen und ich ergebe mich in mein Schicksal. 15 Kilometer mehr, je nach Streckenpropfil eine knappe Stunde mehr. Der Fluss mäandert hier in zwei sehr großen Schleifen durch die Hügel. Daher der Unterschied. Der Radweg folgt dem Fluss. Und es ist eine schöne, ruhige Strecke. Ohne Autos. Radler sind auch welche unterwegs. Heute sehe ich zum ersten Mal andere Reiseradler. Die schöne, ruhige Strecke hat natürlich auch einen Preis. Ein langer steiler Anstieg den ich gerade so bezwingen kann ohne abzusteigen. Zwei Mal muss ich heute insgesamt absteigen. Beides fiese kleine, steile Rampen direkt hinter Kurven. Keine Chance.
Ein paar Flussbiegungen und eine weitere Schleife später erreiche ich Kassel. Macht einer Großstadt alle Ehre. Jedes kleine Kuhdorf hat den Radfernweg asphaltiert. In Kassel fährt man über Schotter. Dann eine Kreuzung die eigentlich eine Ampel braucht. Hat aber keine. Nach fünf Minuten des Wartes, stürze ich mich einfach vor das nächste Auto und hoffe dass es bremst. Es bremst. Sonst würde ich dort wohl stehen bis es dunkel wird. Viel Radverkehr dazu und Schlängelei durch die Gassen und Gässchen. Ich folge der Ausschilderung und nicht meinem Track. Der will mich über noch belebtere Straßen führen. Um das zu vermeiden nehme ich gerne ein paar zusätzliche Schlenker in Kauf.
Endlich bin ich wieder raus aus der Stadt. Jetzt ist der Radweg in bestem Zustand. Eine schöne glatte Piste. Immer direkt am Fluss entlang. Mit all seinen Schleifen und Windungen. Es rollt gut und es ist immer noch trocken. Nur die Beine sind müde. Ich schaffe kaum noch 20 km/h. Aber es sind auch nur noch 20 Kilometer. Ein Stündchen also.
Irgendwann geht es links weg. Richtung Zeltplatz. Ein Hinweisschild an der Fulda, das ich erst am nächsten Morgen entdecke. Also wieder die bangen Gedanken ob er überhaupt noch existiert. Und es geht noch zwei Kilometer bergauf. Am Schluss sogar ordentlich. Vorher aber doch ein Schild. Das macht Hoffnung. Und sie ist nicht vergebens. Klein aber fein und vor allem offen.
Ich habe zwei Optionen für einen Standplatz. Direkt am Sanitärgebäude auf steinigem Boden oder direkt am Eingang auf Gras. Ich wähle das Gras. Nachdem das Zelt steht trocknet es sogar halbwegs ab. Ein an der Aussenwand vom Morgentau nasses Zelt weicht während ein paar Stunden im Packsack eben auch bis innen durch. Dann esse ich etwas. Vor dem Zelt. Draußen ist es inzwischen sogar einigermaßen warm geworden. Relativ gesehen. Kaum bin ich mit allem fertig geht der Regen los. Gut, habe ich erwartet. Irgendwann während des Tages hatte ich, oh Wunder, mal Internet und mir das Regenradar angesehen. Von Westen kommt der Tiefdruckausläufer. Zum Glück hat es gereicht bis ich alles in trockenen Tüchern hatte.
Kurz nach acht Uhr liege ich im Zelt. Es regnet fleissig und ich bin müde. Wenn der Bericht fertig ist, krieche ich in den Schlafsack und träume von Morgen. Oder von nichts.
Elapsed Time
Moving Time
Distance
Average Speed
Max Speed
Elevation Gain
08:10:23
hours
07:37:45
hours
142.79
km
18.72
km/h
59.40
km/h
468.00
meters
Stark bewölkt, 7°C, Feels like 5°C, Humidity 70%, Wind 3m/s from SSO - by Klimat.app
Der Tag fängt gut an. Zu gut vermutlich. Ich wache um halb sieben auf. Ausgeschlafen und erholt. Frühstück, dann Ausrüstung verpacken. Alles passt. Die Gewichte sind noch etwas ungleichmässig verteilt, aber das richtet sich in den nächsten Tagen. Dann schreit mein Radcomputer auf einmal nach einem Update. Dauert eine gute halbe Stunde mit zwei Neustarts. Dann verschluckt er sich beim synchronisieren der Tracks. Stelle fest dass Schweden und Norwegen als Gesamtdateien zu groß sind. Sagt aber nichts darüber, der Gute. Muss ich selber rausfinden. Synchronisiert aber mal garnichts. Als ich die großen Dateien lösche, klappt es endlich. Ich weiß, ich hätte es schon vor Tagen machen können. Habe ich aber nicht. Verliere lieber jetzt eine gute Stunde.
Als ich die Taschen nach unten trage, denke ich dass die Tasche für den Anhänger wohl etwas schwer sein könnte. Egal, muss gehen. Habe ihn auch extra mit mehr Vorräten vollgepackt als ich eigentlich in Deutschland brauchen würde. Aber in Nordskandinavien werde ich so viel brauchen. Dort sollen die Supermärkte und Tankstellen nicht so dicht gestreut sein wie in Mitteleuropa. Also hier schon mal testen.
Das Rad ist schnell beladen. Hab anscheinend noch Übung vom letzten Jahr. Halb elf rolle ich endlich los. Die Eisenbahnbrücke vor der Haustür komme ich erstaunlich gut hoch. Runter auch. Die Bremsen fassen, keine Probleme mit dem Gewicht. Diese Zweifel sind beseitigt. Fühlt sich gut an.
Am Main entlang geht es durch Frankfurt. Wenig Leute unterwegs bei dem Wetter. Es ist kühl und ein leichter Wind weht aus Nord. Kann sich aber nicht entscheiden ob Nordwest oder Nordost. Also kommt er von überall mal.
Meinen Plan wie im letzten Jahr die Rumpenheimer Fähre zu nehmen, lasse ich fallen. Bin eh schon spät dran. Wenn ich Pech habe, und ich habe bei so etwas meistens Pech, verliere ich nochmal eine halbe Stunde weil ich sie gerade ablegen sehe wenn ich ankomme. Also in Fechenheim über die Brücke. Ein bisschen wackelig in den engen Kurven, aber es geht. Vorne in den Taschen ist zuviel Gewicht. Der Lenker ist etwas instabil. Ein bisschen was von der Ladung muss nach hinten. Morgen langt.
Unterwegs bekomme ich noch ein Goodie-Bag mit leckeren Sachen für den ersten Tag. Wie letztes Jahr. Dann kämpfe ich mich vom Main zur Hohen Straße hoch und weiter Richtung Vulkanradweg. Alles gute Radwege oder ruhige Feldwege. Aber der Wind weht mir hier entgegen. Stört nur ein bisschen. Die Steigungen verkraften Mensch und Maschine überraschend gut. Der Anhänger läuft brav hinterher. Ich bin froh. Neben der Extraverpflegung trägt er auch noch ein richtiges Kopfkissen, meine Wanderschuhe, das Stromkabel mit Mehrfachsteckdose. Ein bisschen Luxus muss schon sein.
Kurz vor Altenberg erreiche ich endlich den Vulkanradweg. Rolle fast eben, jetzt nordostwärts, durch die Wetterau. Oft an der Nidder entlang. Direkt neben dem Fluss mache ich nach 60 Kilometern die erste Pause. Meine Gedanken sind schon eine ganze Weile bei dem was ich vorhabe. Werde ich es schaffen? Ich trage viele Zweifel mit mir rum. Und es fällt mir verdammt schwer meine schöne neue Wohnung zurückzulassen. Die Begeisterung des letzten Jahres spüre ich dieses Mal nicht. Hoffe das wird noch.
Als ich Ortenberg erreiche ist Ende mit flachem Gelände. Jetzt strebt der Radweg dem Vulkan entgegen. In diesem Fall dem Hoherodskopf. Gut, ein lange erloschener Vulkan. Aber trotzdem geht es hoch. Nicht steil, aber beständig. Ich rolle auf bekannten Wegen. Vom letztem Jahr, von zwei Radmarathons im letzten Herbst.
Dann Gedern. Letztes Jahr war hier das Ende. Ich lausche auf meine Achillessehne. Kein Mucks. Alles ist gut. Im Ort will mich der Radweg ermuntern die Burg zu erklimmen. Nicht sehr hoch, aber steil. Ich verzichte auf den Spaß. Noch liegt genug Kletterei vor mir. Nehme dafür die Abkürzung durch den Park. Am Ortsausgang die zweite Pause. Nur ein bisschen Kräfte sammeln und was trinken. Der Magen ist noch voll.
In einer langgezogenen S-Schleife zieht sich der Radweg hoch nach Ober-Seemen. Ein Schild sagt dass dies der steilste Teil der Eisenbahnstrecke ist. Ich finde es nicht so steil. Es rollt sehr gut. Entlang des Weges gibt es viele interessante Hinweistafeln mit Erklärungen zu Ortschaften und Landschaft. Ich nehme mir nicht die Zeit sie alle zu lesen. Ein anderes Mal vielleicht.
In Hartmannshain erreiche ich den höchsten Punkt des Vulkanradweges. Endlich geht es bergab. Auch wenn der Anstieg nie steil war, hat er sich doch sehr in die Länge gezogen. Ich bin froh dass es geschafft ist. Ab jetzt geht es bis zu meinem Tagesziel in Schlitz im Prinzip nur noch runter. Gut, ein, zwei kleine Wellen kommen noch. Aber es geht mir immer noch gut. Ich fühle mich frisch und locker. Kalkuliere schon mal meine Ankunftszeit. Da ich gut in der Zeit liege, sollte ich es gegen 19 Uhr schaffen. Hatte ursprünglich mit 20 Uhr gerechnet.
So langsam werden auch meine Gedanken klarer. Dass es so gut läuft motiviert mich. Verjagt viele der Zweifel. In Lauterbach verspüre ich wieder leichten Hunger. Aber es sind nur noch knapp 20 Kilometer. Keine Pause mehr so kurz vor dem Ziel. Im Kopf spiele ich Szenarien durch, falls der Campingplatz doch noch nicht geöffnet hat. Wasser am Friedhof besorgen und dann irgendwo wild zelten. Die Landschaft bietet genug Möglichkeiten hier. Wenn niemand dort ist, stelle ich mich auf den Platz. Bezahle dann morgen. Mit dem Fahrrad kommt man immer auf einen Campingplatz.
Noch einmal wenige Kilometer an einer viel befahrenen Straße entlang. Zum Glück gibt es einen Radweg. Laut ist es trotzdem. Dann geht es wieder in die Felder. Hier wird es noch einmal wellig. Jetzt spüre ich die kleinen Wellen in den Beinen. Läuft trotzdem gut. Ein paar Kilometer vor Schlitz wieder ein Bahnradweg. Schön flach und Superasphalt. Die Königsetappe – zumindest bis Schweden – ist fast geschafft.
Ich erreiche Schlitz und bin auch gleich am Campingplatz. 19:02 Uhr. Die Rezeption ist von 19 bis 20 Uhr geöffnet. Na, das passt doch. Eine sehr freundliche Frau zeigt mir den besten Platz direkt neben den Tischen und Bänken. Sie bietet mir an, meinen Radcomputer aufzuladen während ich das Zelt aufbaue. Ich nehme das Angebot sehr gerne an. Der Platz ist klein und offen, kaum Schatten. Aber den brauche ich heute nicht.
Als das Zelt steht, esse ich erstmal was. Leider gibt es hier kein Internet. Willkommen in der Internetwüste Deutschland. Ich gehe nochmal kurz in die Stadt. Auf den Stadtberg. Aber dort ist auch kein Netz. Morgen in Kassel sollte es klappen. Zurück im Zelt plagen ein wenig Krämpfe in den Beinen. Muss aufpassen wie ich mich bewege. Ich schreibe noch schnell den Bericht von heute. Dann ist es halb elf und ich will schlafen. Ohropax-Time. Auf den Wiesen nebenan erntet ein Bauer Heu. Höllenlärm. Gute Nacht. Ob ich von meinen Zweifeln träume? Den paar wenigen die ich noch habe?
Elapsed Time
Moving Time
Distance
Average Speed
Max Speed
Elevation Gain
08:28:16
hours
07:37:03
hours
144.68
km
18.99
km/h
46.44
km/h
937.00
meters
Leicht bewölkt, 10°C, Feels like 10°C, Humidity 62%, Wind 1m/s from S - by Klimat.app
Hat Schnee auf dem Zelt etwas romantisches? Nein! Also verzichte ich auf das Glückspiel ob es nun bis in die Niederungen schneit oder nicht. Ich bleibe das eklige Wochenende noch hier.
Nun, die Wetterkapriolen der Klimaerwärmung sind ein Grund für eine kurze Verschiebung. Ein weiterer ist, dass ich noch einiges zu erledigen habe. Mit Gewalt und “Auf-Teufel-komm-raus” hätte ich wohl alles geschafft, aber dann wäre da das ungute Gefühl gewesen doch noch etwas vergessen zu haben. So bescheren mir die winterlichen Temperaturen in Verbindung mit Regen und/oder Schnee genug Zeit um alles in Ruhe zu erledigen. Und zum Dritten fühle ich mich nach der tollen Velotour Eschborn-Frankfurt noch ein wenig schlapp, sodass auch hier ein paar Tage Ruhe willkommen sind. Vor allem weil die ersten Etappen doch recht ambitioniert werden.
Gut, mehr Worte über das Wetter zu verlieren, wäre wie Schnee auf den Mount Everest tragen. Nur noch so viel: Wenn es in Skandinavien mal kalt und nass wird, dann ist das okay. Aber hier in Mitteleuropa, Anfang Mai, zwei Monate bevor die Tage schon wieder kürzer werden – das geht überhaupt nicht.
Zelt steht – Aufbau 10 Minuten – Abbau 5 Minuten
Die Woche vergeht recht schnell. Ein paar Arztbesuche – alles okay, nur ein paar Gesundheitschecks die Topwerte liefern -, die Ausrüstung durchsehen und überprüfen, einmal das Zelt aufstellen und noch diverse Einkäufe für die Tour. Jetzt, so ohne Auto dauert alles natürlich ein wenig länger. Aber das ist schon in Ordnung. Nur das leidige Wetter muss ich natürlich einkalkulieren wenn ich alles mit dem Fahrrad erledige. Ich will immer noch nicht nass werden. Ein paar Tropfen okay, aber keine Volldusche.
Dienstag treffe ich mich am Nachmittag mit Rolf um die Startunterlagen für die Velotour abzuholen. Vom Stadion radeln wir gemeinsam nach Eschborn. Nachdem wir unsere Startnummern haben läuft uns Didi Senft, der rote Teufel, bekannt durch die Tour de France, über den Weg. Selfietime! Bei der Nudelparty unterhalten wir uns noch eine Weile mit anderen Bekannten, bevor es bestens gerüstet für den nächsten Tag wieder nach Hause geht.
Mittwoch steht dann das Radrennen auf dem Programm. Die Velotour Eschborn Frankfurt ist sozusagen der Höhepunkt des Jahres für mich. Habe mich schon im letzten Jahr angemeldet. Es macht einfach einen Riesenspass über abgesperrte Straßen zu fahren auf die ich mich sonst nicht mit dem Rad wagen würde. Es geht von Eschborn durch Frankfurt und den Taunus. Man fährt sozusagen den Asphalt warm für die Profis die am Nachmittag die selbe Strecke befahren, nur großzügig verlängert. Meinen Rennbericht findet ihr hier.
Donnerstag nach langem Ringen mit mir und noch längeren Konsultationen der einschlägigen Wetterseiten fälle ich irgendwann gegen Abend die Entscheidung die Abfahrt zu verschieben. Ich peile nun Montag oder Dienstag als neuen Starttermin an. Vermutlich eher Dienstag. Das lässt mir genug Zeit die letzten Kleinigkeiten in Ruhe zu erledigen und bietet den Temperaturen die Gelegenheit wieder halbwegs normale Werte zu erreichen. Alles weitere wird sich finden wenn ich unterwegs bin.
Dienstagnachmittag treffe ich mich mit Rolf vom Radteam Neu-Isenburg am Stadion um gemeinsam die Startunterlagen abzuholen. Wir radeln auf Schleichwegen nach Eschborn um stark befahrene Straßen zu vermeiden. Die Ausgabe unserer Startnummern geht schnell und dann läuft uns Didi Senft, der rote Teufel, bekannt durch die Tour de France, über den Weg. Selfietime! Bei der anschließenden Nudelparty unterhalten wir uns noch eine Weile mit diesem oder jenem Bekannten bevor wir uns bestens gerüstet für den nächsten Tag auf den Heinweg machen.
Prominenz in Eschborn
Die Velotour Eschborn Frankfurt am Mittwoch dem 1. Mai ist einer der Höhepunkte des Jahres für mich. Habe mich schon Ende letzten Jahres angemeldet. Es ist einfach ein Riesenspaß über abgesperrte Straßen zu fahren auf die ich mich sonst nicht mit dem Rad wagen würde. Die Strecke führt von Eschborn durch Frankfurt und den Taunus wieder zurück nach Eschborn. Man fährt sozusagen den Asphalt warm für die Profis, die am Nachmittag die gleiche Strecke befahren, nur für sie eben großzügig verlängert.
Um Viertel vor Acht fahre ich gemütlich von Zuhause los. Es ist noch schweinekalt, aber sonnig. Ungefähr zwölf Kilometer sind es bis zum Start in Eschborn. Nach einer halben Stunde bin ich dort. Am Kaffeestand treffe ich ein paar Mitfahrer vom Radteam Neu-Isenburg. Gemeisam gehen wir nochmal die doch recht simple Taktik durch – kräftig reintreten, heil durch Frankfurt kommen, unfallfrei bis zum Ziel. Das reicht.
So langsam wird es ernst
Der Startschuss fällt um Viertel vor neun. Es dauert einige Zeit bis Bewegung in meinen Startblock kommt. Erst kurz nach neun rolle ich endlich über die Startlinie. Wind ist kaum zu spüren während es durch Rödelheim Richtung Innenstadt geht. Das Tempo ist schnell, sehr schnell. Ich weiß worauf ich achten muss. Ein paar Straßenbahnschienen mit der gebotenen Vorsicht queren und aus größeren Gruppen raushalten. Letzteres vor allem weil es doch viele Fahrer gibt die Gruppenfahrten nicht gewohnt sind und so ein potentielles Unfallrisiko darstellen. Habe schon ein paar Mal erlebt dass direkt vor mir Fahrer zu Boden gegangen sind. Bin zwar immer knapp daran vorbeigekommen, aber ich will mein Glück nicht herausfordern.
Die Fahrt durch die Innenstadt ist rasant. Runter an den Main, die Mainschleife, durchs Bankenviertel, am Eschersheimer Turm vorbei und wieder raus aus der Stadt Richtung Rosa-Luxemburg-Straße. Die Zeitnahme zeigt mir später einen Schnitt von 38 km/h. Wahnsinn.
Richtung Oberursel nehme ich etwas raus. Bereite mich auf den Anstieg zum Feldberg vor. Ein gutes Stück vor dem eigentlich Beginn am Kreisel Hohemark geht es schon aufwärts. Stetig steigt die Straße bis zum Taunabad und das sprengt die Gruppen die sich vorher auf dem eher flachen Streckenteil gebildet hatten. An der Zeitnahme Hohemark liegt mein Schnitt immer noch bei 31 km/h.
Der Feldberg rollt gut wie immer. Bin ihn dieses Jahr schon ein paar Mal gefahren. Hinter der Applauskurve halte ich ein kurzes Schwätzchen mit einem etwa gleichschnelle Fahrer. Mammolshainer oder nicht ist seine Frage. Ich rate ihm, es auf jeden Fall zu versuchen. Am Sandplacken lasse ich ihn dann hinter mir und hole kurz darauf Rolf wieder ein mit dem ich zusammen gestartet war. Ich denke dass ich ihn hinter mir gelassen habe, aber kurz vor der höchsten Stelle sehe ich hinter mir aus den Augenwinkeln etwas Blaues funkeln. Ich drehe mich kurz um. Ein Sternchentrikot. Es ist Rolf, der sich an mein Hinterrad gehängt hat. Von vielen gemeinsam bezwungenen Bergen kennt er meinen Rhythmus und kann mir gut folgen.
Bergab ist er kurz darauf schnell weg. Bis kurz vor der Kittelhütte sehe ich ihn noch, dann verliere ich ihn endgültig aus den Augen. Rolf ist ein ausgezeichneter Abfahrer und sein Hinterrad zu halten gelingt mir einfach nicht. Mit Scheibenbremsen kann er viel ökonomischer bremsen und dadurch rasch entscheidende Meter Vorsprung herausfahren.
In der Abfahrt nach Oberems überholt mich mein Vereinskollege Bernd. Er ist zehn Minuten nach mir gestartet. Tolle Leistung. Hinter Oberems der Schweineberg auf der B8 nach Glashütten. Zieht sich lange und tut weh. Außerdem merke ich nun immer deutlicher dass ich viel zu dick angezogen bin. Die Sonne heizt ordentlich ein und es ist lange nicht mehr so kalt wie morgens bei meiner Abfahrt. Fehler Nummer Eins!
Irgendwann ist der elende Anstieg geschafft uns es geht wieder runter nach Schlossborn und zum Fuss des Ruppertshainers. Irgendwie hatte ich den falsch in Erinnerung – ich fahre dort eigentlich immer nur runter – erwarte das steilste Stück ganz oben. Als ich erkenne dass es nicht mehr kommt bin ich schon oben. Ich nehme einen Schluck aus meiner inzwischen fast leeren Flasche. Aber der Mund bleibt immer noch trocken. In Erwartung von kühleren Temperaturen hatte ich nur eine Flasche mitgenommen. Fehler Nummer Zwei!
Egal, jetzt geht es erstmal lange bergab. Im Ruppertshain kann ich meine Ortskenntnis voll ausspielen. Wo die meisten abbremsen, fahre ich schnell durch. Ich kenne jede Kurve, weiß welche Schlaglöcher ich umfahren muss und welche ich einfach mitnehmen kann. Am Anstieg in Fischbach brennen mir zum ersten Mal die Schenkel. Ich muss rausnehmen. Nur langsam komme ich hoch. Zu langsam für meinen Geschmack. In Kelkheim kann ich das Kopfsteinpflaster im kurzen Anstieg Richtung Gundelhardt dann schon wieder gut wegdrücken. Auch durch Sulzbach und Schwalbach läuft es wieder richtig rund.
Die stolzen Finisher!
Kurz vor Mammolshain der letzte Schluck aus der Flasche. Muss reichen bis ins Ziel. Am ersten steilen Anstieg, der am Ortsschild beginnt, kommt der Hammer. Mir explodieren fast die Oberschenkel. Es schmerzt höllisch. Ich befürchte einen Krampf zu bekommen. Muss aber weitertreten. Oder absteigen. Natürlich keine Option! Irgendwie schaffe ich die steilen hundert Meter. Danach geht es zwar weiter bergauf, aber mit etwas weniger Prozenten. Ich trete ganz langsam damit sich die Muskeln wieder regenerieren können. Hier zahle ich nun für meinen Leichtsinn am Getränk zu sparen. Werde ich den Mammolshainer Stich überhaupt schaffen?
Viel zu schnell geht es rechts weg und er baut er sich vor mir auf. Das leichte Treten bringt jetzt nichts mehr. Hier ist voller Einsatz nötig. Die Zuschauer die links und rechts stehen und jeden Radfahrer lautstark hochpushen nehme ich kaum war. Gleich am Anfang gehe ich aus dem Sattel und drücke mich Meter um Meter nach oben. Ich versuche nicht an meine Oberschenkel zu denken. Will sie nicht auf dumme Ideen bringen. Fokussiere nur den Scheitelpunkt am Ende der Stichstraße mit ihrer Steigung von über 20%. Zwei Drittel sind geschafft. Jetzt weiß ich dass ich es schaffen werde. Fahre die letzten Meter sogar wieder im Sitzen.
Leider ist oben am Stich aber noch nicht Schluss mit lustig. Nur moderater ist der spassige Anstieg nun. Noch zwei Kilometer bis Königstein. Ein gutes Viertel davon brauche ich um meinen Puls und die Atmung wieder auf halbwegs normale Frequenzen zu bekommen. Der Mund ist irgendwie pappig. Die Zunge klebt am Gaumen. Das kann ich nicht ändern.
Endlich ist Königstein erreicht. Vorbei am Opel-Zoo und durch Kronberg geht es wie im Fluge fast nur noch bergab. Auf der gesperrten Schnellstraße zwischen Kronberg und Eschborn finde ich eine schnelle Gruppe. Hänge mich rein und nehme mich aus dem Wind. Das Tempo ist schön schnell auf den letzten Kilometern. Etwa achthundert Meter vor dem Ziel unternehme ich einen Fluchtversuch. Obwohl ich mir der Sinnlosigkeit schon im voraus bewusst bin. Ich springe vor zu zwei anderen Fahrern die sich abgesetzt haben. Gehe nach vorne in den Wind. Dreihundert Meter vor dem Ziel ist es vorbei. Die Gruppe schluckt mich wieder. Keine Chance einer Gruppe wegzufahren. Aber den Spaß war es mir wert.
Mit einer Zeit von 3:25:11 Stunden rolle ich über die Ziellinie. Schnitt auf der Gesamtstrecke 32,68 km/h. Platz 42 in meiner Alterklasse. Genau im Mittelfeld. Ich bin zufrieden. Ohne Fehler Eins und Zwei wäre sicher noch ein bisschen mehr drin gewesen. Live and learn!
Hinter dem Ziel treffe ich Rolf wieder. Er war drei Minuten schneller als ich. Super gemacht! Am vereinbarten Treffpunkt warten schon die schnelleren Fahrer aus meinem Verein. Nach und nach trudeln auch die Langsameren ein. Wir verbringen gemeinsam noch eine gemütliche Stunde bei Bier und Radlerlatein bevor wir uns voneinander verabschieden. Ich rolle gemütlich nach Hause. Schlängle mich durch die vielen Feiertagsausflügler und schaue dann noch bei meinem anderen Verein vorbei, dem Kanu-Club Kelsterbach. Dort wird nach einer wesentlich kürzeren, aber vermutlich für viele kaum weniger anstrengenden Radtour gegrillt. Ich bleibe noch auf ein Radler, aber dann höre ich deutlich meine Couch rufen.
Noch fünf Tage und die Vorbereitungen stecken wie üblich noch in den Kinderschuhen. Aber das wird schon. Viele Sachen muss ich nicht mehr besorgen, Gaskartuschen und ein paar Lebensmittel für die ersten Tage. Was sonst noch fehlt oder ersetzt werden muss, sehe ich morgen beim Probepacken.
Die Streckenplanung steht auch weitestgehendst. Hinfahrt bis Kirkenes ist fertig. Norwegen und die Rückfahrt durch Dänemark und Deutschland sind noch Pi mal Daumen. Insgesamt komme ich auf über 10,000 Kilometer. Das ist sehr ambitioniert. Im Moment bin ich bei einem Tagesschnitt von 96 Kilometern. Ohne Ruhetage oder Schlechtwetterpausen.
96 Kilometer pro Tag hört sich im ersten Moment nicht so viel an. Aber je nach Streckenprofil schaffe ich mit vollbeladenem Rad und Anhänger 15 – 17 Kilometer in der Stunde. Das wären also um die 6 Stunden reine Fahrzeit pro Tag. Hört sich auch nicht viel an. Da ich im hohen Norden nicht so eine Hitzewelle erwarte wie im letzten Jahr, was meinen Tagesschnitt doch erheblich gedrückt hat, sollte es machbar sein. Mal schauen wie es läuft.
Sollte mir das Wetter zu viel Striche durch die Rechnung machen – ich werde nicht bei Dauerregen fahren – hat die Strecke noch Optimierungspotential. Ich kann in Finnland den Schlenker nach Süden verkürzen oder in Norwegen Teile mit dem Schiff fahren, wenn der Küstenverlauf zuviel Kilometer in Anspruch nimmt. Im schlimmsten Fall kann ich direkt von Schweden zum Nordkapp fahren und Finnland dann ein anderes Mal beradeln. Alles wird im Fluss sein.
Ich bin gespannt wie lange ich brauche um wieder in den Reisemodus zu kommen. Es dauert sicher ein paar Tage bis die tägliche Routine greift. Zu Beginn will ich wenn immer möglich auf Campingplätzen übernachten. In Dänemark dann der erste Naturlagerplatz. Und ab Schweden vorwiegend freies Zelten. Alle paar Tage dann ein Campingplatz oder eine Hütte wenn es das Wetter nötig macht oder ich mal wieder eine heiße Dusche brauche.
Die erste Etappe ist sportlich. Über 140 Kilometer bis Schlitz. Auf dem Vulkanradweg vorwiegend bergauf. Zwar moderat ohne große Steigungen, aber trotzdem bergauf. Die Zweite dann an der Fulda entlang. Nochmal über 140 Kilometer. Auch Tag drei ist lang. Diesmal über 150 Kilometer. Ein kurzer Anstieg aus dem Tal der Weser heraus an die Leine und der weitgehend flach bis kurz vor Hannover folgen.
Ab dort werden die Abschnitte kürzer, immer so um die 100 Kilometer pro Tag. Lüneburger Heide, Lauenburg, Lübeck, Pelzerhaken bei Neustadt in Holstein. Dort vielleicht ein Ruhetag und die alte Heimat besuchen. Dann über den Fehmarnbelt nach Dänemark und in zwei Tagen bis Helsingör bevor es nach Schweden geht. Soweit der erste Plan. Mal sehen was daraus wird.
Sechs Wochen Frühling auf Mallorca, der schönsten Insel der Welt, sind vorüber. Und was für ein Frühling es war. An den meisten Tagen strahlte die Sonne von einem makellos blauen Himmel. Ab und zu gab es Wolken, meistens Fotowölkchen. Und nur vier Regentage während der ganzen Zeit. Davon zwei in der verlängerten Woche als mein Radteam Neu-Isenburg hier war.
3000 Kilometer in sechs Wochen – Auf der Ma-3430 bei Kilometer 6 kurz hinter Muro war es vollbracht.
Die Temperaturen waren, zumindest tagsüber, angenehm warm. An ein paar Tagen wurde die 20-Grad-Marke erreicht, meistens war es zwischen 15 und 18 Grad warm. Die Nächte dagegen waren oft noch lausig kalt. Gerade am Anfang rückten sie oft bis knapp an den Gefrierpunkt. Aber sobald die Sonne aufging, zeigte sie ihre Kraft. Wenn sie wieder weg war, rauschte das Thermometer jedoch sofort wieder in den Keller.
Der Wind war auch wieder ein Thema. Allerdings nicht so stark und beständig aus westlichen Richtungen wie im letzten Jahr. Es gab sogar fast windstille Tage, außergewöhnlich auf einer Insel. Zum Ende sorgte nochmal ein fieser Nordostwind für gefühlte Kühlschranktemperaturen. Ein paar wenige Tage waren stürmisch, auf die ich dann Wander- oder Ruhetage legte. In der letzten Woche blies ein besonders heftiger Wind, der im Gebirge sogar eine Radlerin von der Straße einen Abhang herunter blies. Verständlich dass man bei wenigen Tagen auf der Insel jeden Tag ausnützen möchte, der Tag war jedoch wirklich nicht zum Radfahren geeignet. Vor allem nicht in den Bergen.
Meine Radtouren waren immer interessant. Mal kürzer, mal länger. Ich entdeckte viele neue Wege. Erkundete Wege bei denen ich mich schon immer gefragt hatte wo sie denn hinführen. Nicht alle waren von einer Qualität dass man sie mehr als einmal fahren müsste. Aber es wird auch viel getan an den Straßen und Wegen auf der Insel. Es gibt wieder einige frisch asphaltierte Strecken auf denen das Radfahren ein Genuss sind. Andere betteln förmlich darum mit etwas Liebe und einer neuen Deckschicht bedacht zu werden. Ein großes Negativbeispiel (von sehr wenigen) ist die Abfahrt vom Coll d’Honor in das Dörfchen Orient. Eigentlich eine tolle Strecke, ist mir inzwischen die Lust vergangen dort zu fahren. Anders herum geht es gerade noch wenn man bergauf langsam um die Schlaglöcher herumkurven kann.
Ich verbrachte nicht nur wieder neun phantastische Tage mit meinem Radteam Neu-Isenburg, sondern traf mich auch mit einigen alten und neuen Bekannten von daheim. Wir drehten einige Runden zusammen, quatschten und hatten ein tolle Zeit in den diversen Kaffee- (in meinem Fall meist heiße Schokolade) und Kuchentreffs der Insel. Die neun Tage mit dem Radteam verbachten wir zum wiederholten Male im ganz ausgezeichneten Botel Alcudiamar in Port Alcudia. Wir wurden wieder vorzüglich umsorgt von der ganzen Mannschaft des Hotels, die Küche war wie immer viel zu reichhaltig und der Magen zu klein für all die leckeren Dinge die angeboten wurden. Dieses Hotel ist ein echter Ort zum Wohlfühlen und Entspannen.
Insgesamt legte ich 3019 Kilometer in den sechs Wochen zurück und bin viele tausend (ungezählte) Höhenmeter geklettert. Dabei zählen nicht nur die Anstiege in der Tramuntana und die Ermitas auf ihren Hügeln. Auch die vielen Wellen in der kaum ganz flachen Landschaft summieren sich ordentlich. Wo es hoch geht macht es Spaß, die sehr wenigen Schweineberge kann man getrost auslassen. Ich habe sogar gelernt die schier endlose Kletterei zwischen Deia und Valldemossa zu lockerer zu nehmen, dort wo nach jeder Kuppe ein neuer Anstieg kommt und sogar wenn man scheinbar bergab fährt Höhenmeter sammelt. Alles nur Kopfsache.
Eine neue Erfahrung habe ich gesammelt als mir bergab bei Tempo 50 der hintere Reifen auseinandergeflogen ist. Hatte mich schon immer mal gefragt wie das so ist. Naja, ich hörte den Knall (und es war ein ziemlich lauter) und fragte mich als Erstes von wem aus meiner Gruppe das wohl kam. Erst als mein Felge auf dem Asphalt hoppelte, war mir klar, dass ich es selbst gewesen bin. Nichts Dramatisches also. Loch im Reifen abdichten, neuer Schlauch und weiter ging’s. Ein paar Tage später riss mir der hintere Schaltzug nach einer Abfahrt. Dreißig Kilometer zurück ins Hotel mit drei Gängen. Der Anstieg hinter Llubi tat richtig weh in den Oberschenkeln. Dank der tollen Hilfe des Mitarbeiters an der Rezeption unseres Hotels konnte ich den Schaltzug noch am selben Abend in einer kleinen Werkstatt austauschen lassen, sodass ich am nächsten Tag wieder ein voll funktionsfähiges Rad hatte.
Faszinierend war für mich dazu immer wieder die Tierwelt auf der Insel. Schafe, die reinsten Fressmaschinen. Man sieht sie zu 99% nur mit dem Kopf unten während sie das Gras zupfen. Viele, viele niedliche Lämmer dazu. Ziegen, entweder als Hausziegen oder die wilde Art in den Bergen, die man oft erst bemerkt wenn es direkt neben einem im Gebüsch raschelt oder sie plötzlich auf die Straße springen. Hunde in Massen, vorwiegend die Sorte Kläffer die auch kläffen wenn es nichts zu kläffen gibt. Wachhunde die bei alles und jedem anschlagen was sich auf der Straße an ihrem Grundstück bewegt. Hört da überhaupt noch jemand drauf wenn es ernst ist? Katzen die lautstark Streicheleinheiten einfordern. Jede Art von Federvieh, sogar Emus gibt es hier. Übrigens finde ich das Gänse und Truthähne die besseren Wachhunde sind. Kleine weiße Reiher die auf Schafen reiten. Pferde, Ponys, Esel, letztere leider manchmal in Einzelhaltung. Ein Unding für solch soziale Tiere. Wenige Rinder, keine Stiere. Und das in Spanien. Ein Hermelin und viele Ratten, letzte meistens als Roadkill.
Bei meinen Wanderungen habe ich leichte Fortschritte gemacht. Es waren allesamt tolle Touren in rauhem Gelände. Manchmal weglos. Ist das nun ein Wanderweg oder ein Ziegenpfad? Zum Glück helfen meistens Steinmännchen den richtigen Weg zu finden. Oder weggeworfene Pipitücher (Ladies, ihr wisst was ich meine). Ein paar tolle Klettereinlagen gehörten dazu. Standard schon hoch hinauf zur Kanone auf der Halbinsel Victoria. Die Piratenhöhle zu der man etwa hundert Höhenmeter an der steilen Felsküste absteigen muss. Und für die ich nächstes Mal eine Stirnlampe mitnehme. Die mit Seilen gesicherte Kletterpassage am Pas Llis hoch in der Schlucht des Torrent d’Almadra in der mir deutlich bewusst wurde, was für ein Unterschied ein paar Sekunden machen können. Keine zehn Meter vor mir geht ein Steinschlag aus der Felswand über mir nieder. Ein paar Schritte schneller, die Pause vorher ein wenig kürzer … aber so ist das Leben.
Mein erster Tausender auf der Insel blieb mir auch dieses Jahr wieder verwehrt. Am ersten Tag als ich die Besteigung des Puig des Tossals Verds (1118 m) geplant hatte, hüllte er sich in dichte Wolken, sodass eine Alternative nötig war. Und beim zweiten Versuch war es zu kalt und stürmisch um die schützende Baumgrenze zu verlassen. Die Gefahr von starken Böen war mir dort oben einfach zu groß. Nun, der nächste Versuch wird folgen. Dann hoffentlich erfolgreich.
Morgen ist nun die Zeit gekommen. Zusammenpacken und zurück nach Hause. Ein wenig nervt mich die ungünstige Abfahrtzeit der Fähre. Ankunft in Barcelona erst am Abend. Daher werde ich irgendwo in Südfrankreich eine Übernachtung einschieben. Nicht schön, aber es ist wie es ist.
Samstag, 30. Juni 2018 – Tag 26 – Laggan bis Fort William
66 km von total 1289 km
Sonnig, wolkenlos, trocken, schwacher Wind aus westlichen Richtungen, Temperatur 18 – 28 Grad Celsius
Heute ist Tag des Abschieds. Meine Freunde vom Kanu-Club Kelsterbach müssen zurück nach Hause fliegen und ich mache mich wieder solo auf den Weg. Nächstes Ziel sind die Äußeren Hebriden. Mit der Fähre ab Oban. Wären gute 150 Kilometer bis Oban. An einem Tag zu schaffen, da vorwiegend flach. Aber da liegt ein Berg dazwischen. Der Ben Nevis oder auf gälisch Beinn Nibheis. Der höchste Berg Großbritanniens. Mit 1345 Metern kein Vergleich mit dem Alpen. Aber dieser Berg ruft.
Also heute nur eine kurze Etappe von etwas über 60 Kilometern. Ziel ist der Campingplatz direkt unterhalb des Berges. Das passende Basislager sozusagen.
Um halb zehn verabschieden wir uns vor dem Ferienhaus. Meine Freunde fahren links herum Richtung Edinburgh, ich nach rechts. Richtung Fort William. Es ist jetzt schon mollig warm. Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen, blauen Himmel. Ideales Radwetter für mich.
Ab Laggan führt mich mein Weg auf der A86 fast eben durch ein wunderschönes Hochtal zum Loch Laggan. Der langgezogene See hat viele helle Sandstrände die zum Baden einladen. Ich genieße jedoch nur den Anblick. Der Verkehr ist gering, die meisten Fahrzeuge kommen mir entgegen. Es geht zum Wochenende in die Berge.
Ich folge dem Fluss Spean. Nach wenigen Kilometern ist er zu einem Stausee aufgestaut. Die Staumauer ist schon etwas älter. Ein interessantes Bauwerk. Danach geht es langsam abwärts. Immer weiter am Fluss entlang der durch die Landschaft mäandert. Am Horizont thront schon der Ben Nevis.
Der Verkehr wird nun stärker, in beiden Richtungen, und ab Spean Bridge wird er nervig. Hier muss ich auf die A82, die viel befahrene Nord-Süd-Verbindung die aus Inverness kommt. Es gibt keinen Radweg. Nachdem mich zwei Autos sehr knapp überholt haben, nehme ich mir einen großen Teil meiner Fahrbahn wenn Gegenverkehr kommt. Ein wenig Kamikaze, aber so zwinge ich die Fahrzeuge die von hinten kommen zum abbremsen. Genug Platz sich an mir vorbeizuquetschen gibt es sowieso nicht. Klappt auch ganz gut die Nummer.
Nach etwa acht Kilometern dann endlich ein Radweg. Ein schöner noch dazu. Jetzt ist es wieder entspannend und schnell erreiche ich Inverlochy, einen Vorort von Fort William. Dort links hinein ins Tal des Flusses Nevis. Hier ist nochmal stärkerer Verkehr. Liegt an dieser Straße doch nicht nur der Campingplatz sondern auch der Einstieg der „Touristenroute“ auf den Ben Nevis. An so einem schönen Tag am Wochenende ist es natürlich entsprechend voll.
Der Check-in am Campingplatz läuft reibungslos. Ich buche zwei Nächte. Freie Standplatzwahl. Ich suche mir gemütlich erstmal ein schönes Plätzchen mit Schatten. Die Sonne brennt nun doch recht heiß vom immer noch wolkenlosen Himmel. Nachdem das Zelt steht, gehe ich duschen und erkunde dann die Umgebung. Der Shop des Campingplatzes hat natürlich Camperpreise. Aber er ist gut sortiert. Sehr gut sogar. Ich hole einen kleinen Snack und etwas kaltes zu trinken. Später suche ich mir einen Supermarkt für die restliche Verpflegung.
Ich laufe zum Besucherzentrum, erkundige mich nach dem Wetter für morgen. Bestes Wanderwetter. Man rät mir früh loszugehen. Soll wieder heiß werden. Werde ich machen. Ich kaufe auch noch eine Mütze. Habe mir gestern die Haare kurz schneiden lassen. Sehr kurz. Keine Lust mir die Rübe zu verbrennen. Dann laufe ich am anderen Ufer des Nevis zurück zum Campingplatz. Gehe immer mal wieder in den Fluss rein. Schönes kühles Wasser und es ist nicht tief. Auf Höhe des Campingplatzes durchquere ich den Fluss. Er ist dort gerade mal knietief. Und sehr erfrischend.
Dann noch ein kurzer Trip zu ALDI in Inverlochy. Knapp fünf Kilometer entfernt. Ich besorge Wasser und Verpflegung für die Wanderung morgen. Und Abendessen für die nächsten zwei Tage. Nachdem ich gesättigt bin, ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden. Endlich ins Zelt. Noch kurz den Reisebericht und dann früh ins Bett. Morgen will ich um sechs Uhr aufbrechen. Denn der Berg ruft!