Sommerreisen 2019 – Die Erste – 7. Mai – Tag 1 von ???
Strecke: 144,7 km – Fahrzeit: 7:37:03 – Höhenmeter: 937 – Temperatur: 8° – 24° Durchschnitt 11° – Wind schwach aus nördlichen Richtungen
Ausgaben:
€ 9,50 Campingplatz
Tiere gesichtet:
Pferde, Kühe, Schafe, 1 Reh, Hunde, Gänse, Enten, Hühner, Störche, div. Raubvögel (Bussard, Habicht), div. Singvögel (Amsel, Drossel, Star, Meise, Sperling, etc.), Tauben, Raben, Krähen, Schwäne
Der Tag fängt gut an. Zu gut vermutlich. Ich wache um halb sieben auf. Ausgeschlafen und erholt. Frühstück, dann Ausrüstung verpacken. Alles passt. Die Gewichte sind noch etwas ungleichmässig verteilt, aber das richtet sich in den nächsten Tagen. Dann schreit mein Radcomputer auf einmal nach einem Update. Dauert eine gute halbe Stunde mit zwei Neustarts. Dann verschluckt er sich beim synchronisieren der Tracks. Stelle fest dass Schweden und Norwegen als Gesamtdateien zu groß sind. Sagt aber nichts darüber, der Gute. Muss ich selber rausfinden. Synchronisiert aber mal garnichts. Als ich die großen Dateien lösche, klappt es endlich. Ich weiß, ich hätte es schon vor Tagen machen können. Habe ich aber nicht. Verliere lieber jetzt eine gute Stunde.
Als ich die Taschen nach unten trage, denke ich dass die Tasche für den Anhänger wohl etwas schwer sein könnte. Egal, muss gehen. Habe ihn auch extra mit mehr Vorräten vollgepackt als ich eigentlich in Deutschland brauchen würde. Aber in Nordskandinavien werde ich so viel brauchen. Dort sollen die Supermärkte und Tankstellen nicht so dicht gestreut sein wie in Mitteleuropa. Also hier schon mal testen.
Das Rad ist schnell beladen. Hab anscheinend noch Übung vom letzten Jahr. Halb elf rolle ich endlich los. Die Eisenbahnbrücke vor der Haustür komme ich erstaunlich gut hoch. Runter auch. Die Bremsen fassen, keine Probleme mit dem Gewicht. Diese Zweifel sind beseitigt. Fühlt sich gut an.
Am Main entlang geht es durch Frankfurt. Wenig Leute unterwegs bei dem Wetter. Es ist kühl und ein leichter Wind weht aus Nord. Kann sich aber nicht entscheiden ob Nordwest oder Nordost. Also kommt er von überall mal.
Meinen Plan wie im letzten Jahr die Rumpenheimer Fähre zu nehmen, lasse ich fallen. Bin eh schon spät dran. Wenn ich Pech habe, und ich habe bei so etwas meistens Pech, verliere ich nochmal eine halbe Stunde weil ich sie gerade ablegen sehe wenn ich ankomme. Also in Fechenheim über die Brücke. Ein bisschen wackelig in den engen Kurven, aber es geht. Vorne in den Taschen ist zuviel Gewicht. Der Lenker ist etwas instabil. Ein bisschen was von der Ladung muss nach hinten. Morgen langt.
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Unterwegs bekomme ich noch ein Goodie-Bag mit leckeren Sachen für den ersten Tag. Wie letztes Jahr. Dann kämpfe ich mich vom Main zur Hohen Straße hoch und weiter Richtung Vulkanradweg. Alles gute Radwege oder ruhige Feldwege. Aber der Wind weht mir hier entgegen. Stört nur ein bisschen. Die Steigungen verkraften Mensch und Maschine überraschend gut. Der Anhänger läuft brav hinterher. Ich bin froh. Neben der Extraverpflegung trägt er auch noch ein richtiges Kopfkissen, meine Wanderschuhe, das Stromkabel mit Mehrfachsteckdose. Ein bisschen Luxus muss schon sein.
Kurz vor Altenberg erreiche ich endlich den Vulkanradweg. Rolle fast eben, jetzt nordostwärts, durch die Wetterau. Oft an der Nidder entlang. Direkt neben dem Fluss mache ich nach 60 Kilometern die erste Pause. Meine Gedanken sind schon eine ganze Weile bei dem was ich vorhabe. Werde ich es schaffen? Ich trage viele Zweifel mit mir rum. Und es fällt mir verdammt schwer meine schöne neue Wohnung zurückzulassen. Die Begeisterung des letzten Jahres spüre ich dieses Mal nicht. Hoffe das wird noch.
Als ich Ortenberg erreiche ist Ende mit flachem Gelände. Jetzt strebt der Radweg dem Vulkan entgegen. In diesem Fall dem Hoherodskopf. Gut, ein lange erloschener Vulkan. Aber trotzdem geht es hoch. Nicht steil, aber beständig. Ich rolle auf bekannten Wegen. Vom letztem Jahr, von zwei Radmarathons im letzten Herbst.
Dann Gedern. Letztes Jahr war hier das Ende. Ich lausche auf meine Achillessehne. Kein Mucks. Alles ist gut. Im Ort will mich der Radweg ermuntern die Burg zu erklimmen. Nicht sehr hoch, aber steil. Ich verzichte auf den Spaß. Noch liegt genug Kletterei vor mir. Nehme dafür die Abkürzung durch den Park. Am Ortsausgang die zweite Pause. Nur ein bisschen Kräfte sammeln und was trinken. Der Magen ist noch voll.
In einer langgezogenen S-Schleife zieht sich der Radweg hoch nach Ober-Seemen. Ein Schild sagt dass dies der steilste Teil der Eisenbahnstrecke ist. Ich finde es nicht so steil. Es rollt sehr gut. Entlang des Weges gibt es viele interessante Hinweistafeln mit Erklärungen zu Ortschaften und Landschaft. Ich nehme mir nicht die Zeit sie alle zu lesen. Ein anderes Mal vielleicht.
In Hartmannshain erreiche ich den höchsten Punkt des Vulkanradweges. Endlich geht es bergab. Auch wenn der Anstieg nie steil war, hat er sich doch sehr in die Länge gezogen. Ich bin froh dass es geschafft ist. Ab jetzt geht es bis zu meinem Tagesziel in Schlitz im Prinzip nur noch runter. Gut, ein, zwei kleine Wellen kommen noch. Aber es geht mir immer noch gut. Ich fühle mich frisch und locker. Kalkuliere schon mal meine Ankunftszeit. Da ich gut in der Zeit liege, sollte ich es gegen 19 Uhr schaffen. Hatte ursprünglich mit 20 Uhr gerechnet.
So langsam werden auch meine Gedanken klarer. Dass es so gut läuft motiviert mich. Verjagt viele der Zweifel. In Lauterbach verspüre ich wieder leichten Hunger. Aber es sind nur noch knapp 20 Kilometer. Keine Pause mehr so kurz vor dem Ziel. Im Kopf spiele ich Szenarien durch, falls der Campingplatz doch noch nicht geöffnet hat. Wasser am Friedhof besorgen und dann irgendwo wild zelten. Die Landschaft bietet genug Möglichkeiten hier. Wenn niemand dort ist, stelle ich mich auf den Platz. Bezahle dann morgen. Mit dem Fahrrad kommt man immer auf einen Campingplatz.
Noch einmal wenige Kilometer an einer viel befahrenen Straße entlang. Zum Glück gibt es einen Radweg. Laut ist es trotzdem. Dann geht es wieder in die Felder. Hier wird es noch einmal wellig. Jetzt spüre ich die kleinen Wellen in den Beinen. Läuft trotzdem gut. Ein paar Kilometer vor Schlitz wieder ein Bahnradweg. Schön flach und Superasphalt. Die Königsetappe – zumindest bis Schweden – ist fast geschafft.
Ich erreiche Schlitz und bin auch gleich am Campingplatz. 19:02 Uhr. Die Rezeption ist von 19 bis 20 Uhr geöffnet. Na, das passt doch. Eine sehr freundliche Frau zeigt mir den besten Platz direkt neben den Tischen und Bänken. Sie bietet mir an, meinen Radcomputer aufzuladen während ich das Zelt aufbaue. Ich nehme das Angebot sehr gerne an. Der Platz ist klein und offen, kaum Schatten. Aber den brauche ich heute nicht.
Als das Zelt steht, esse ich erstmal was. Leider gibt es hier kein Internet. Willkommen in der Internetwüste Deutschland. Ich gehe nochmal kurz in die Stadt. Auf den Stadtberg. Aber dort ist auch kein Netz. Morgen in Kassel sollte es klappen. Zurück im Zelt plagen ein wenig Krämpfe in den Beinen. Muss aufpassen wie ich mich bewege. Ich schreibe noch schnell den Bericht von heute. Dann ist es halb elf und ich will schlafen. Ohropax-Time. Auf den Wiesen nebenan erntet ein Bauer Heu. Höllenlärm. Gute Nacht. Ob ich von meinen Zweifeln träume? Den paar wenigen die ich noch habe?
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