Wet, Wet, Wet

Der Wood Rig (464 m) zwischen Elvanfoot und Crawford an der B7076

Samstag, 16. Juni 2018 – Tag 12 – Moffat bis Larkhall

  • 67 km von total 1065 km
  • 4:01:41 Stunden Fahrzeit netto
  • 16,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit Fahrzeit netto
  • 4:51:26 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
  • Wolkig, Regen, später trocken mit Auflockerungen
  • Temperatur 12 – 16 Grad Celsius
  • Wind bis Mittag 11 – 13 km/h (2 – 3 Beaufort) aus SO bis O, ab Mittag 17 – 26 km/h (3 – 4 Beaufort) aus SW – W

Der Tag beginnt mit Hoffnung. Hoffnung darauf dass sich das Wetter bessert. Schon in der Nacht hat es angefangen zu regnen. Nicht stark, aber stark genug um richtig nass zu werden. Im Zelt hört sich der Regen natürlich schlimmer an. Trotzdem mag ich nicht an Radfahren denken.

Erstmal frühstücken. Im Zelt natürlich. Raus nur wenn es unbedingt nötig ist. Ständig der Blick auf das Wetterradar. Am Himmel nichts Neues. Nochmal eine Stunde schlafen. Dann lesen. Wetter checken. Am späten Vormittag etwas mehr Hoffnung. Gegen 14 Uhr soll es trockener werden. Nicht ganz trocken, aber besser.

Ich gehe zur Rezeption. Verhandlungen aufnehmen. Um 12 Uhr soll ich den Platz räumen. Keine Kompromisse. Ich frage ob ich bis 14 Uhr bleiben kann um dann zu entscheiden ob ich eine Nacht länger bleibe. Nichts da. Um 12 Uhr weg oder einen Tag mehr bezahlen. Bin ich in Deutschland? Resigniert zahle ich noch eine Übernachtung.

Später komme ich zu der Überzeugung dass es dumm war überhaupt zu fragen. Hätte vermutlich niemand bemerkt wenn ich geblieben wäre. Zumindest bis 14 Uhr. Und falls doch, dann hätte ich eben bezahlt.

Jetzt mache ich erstmal Pläne. Bis Stirling sind es 140 km. Kein gerader Weg. Bis in den Großraum Glasgow ist die Strecke noch recht gerade. Der Rest viel kreuz und quer. Heute trifft die Reisegruppe Kanu-Club Kelsterbach ein. Gerne würde ich heute Abend bei ihnen sein. Aber 140 km mit Spätstart gegen 14 Uhr. Mindestens 9 Stunden Fahrt ohne große Pausen. Ankunft also irgendwann kurz vor Mitternacht. Tolle Aussichten.

Ich überlege weiter hin und her. Noch eine Nacht bleiben und morgen früh fahren? Oder heute noch los. Campingplatz dazwischen der einigermaßen an der Strecke liegt? Fehlanzeige. Die Wetteraussichten verfestigen sich. Es soll später tatsächlich trocken werden.

Kurz vor 14 Uhr treffe ich die Entscheidung. Ich werde fahren. Schnell alles zusammenpacken. Erstmal alles im Zelt. Denn noch regnet es leicht. Dann das klitschnasse Zelt in den Trockensack. So werden die anderen Sachen wenigstens nicht nass. In voller Regenmontur – Hose, Überzieher für Schuhe und Helm, Handschuhe und Poncho – schwinge ich mich aufs Rad. Lasse den kompromisslosen Campingplatz hinter mir.

Zwei Kilometer später sind die ersten 1000 Kilometer der Reise geschafft. Irgendwie sollten die Tausenderschritte ein bedeutendes Ereignis sein. Aber letztendlich ist es nur eine Zahl. Ohne atemberaubenden landschaftlichen Hintergrund. Nur ein Punkt an der Hauptstraße auf der ich Moffat verlasse. Trotzdem mache ich ein Foto.

Moffat - 1000 Kilometer sind geschafft
Moffat – 1000 Kilometer sind geschafft

Statt direkt nach Norden zu fahren, mache ich erstmal eine Rolle rückwärts zurück auf die Originalroute. Manchmal trifft man seltsame Entscheidungen. Dafür habe ich die Straße fast ganz für mich alleine. Der restliche Verkehr nimmt wohl die direkte Straße. Auch gut.

Die Landschaft um mich herum wäre eigentlich recht schön. Wälder, Hügel, ein Flusstal das sich immer weiter verengt. Stoisch kurbele ich die leicht ansteigende Straße hoch. Links von mir die Eisenbahnlinie, rechts die Autobahn. Von oben Wasser. Mal nieselt es, mal schauert es kräftig.

Trotz Regenklamotten bin ich nass. Von innen. Ich schwitze wie’s Tier in der Gummipelle. Nach wenigen Kilometern habe ich die Nase voll. Bis auf dem Poncho verschwindet alles im Anhänger. Ob ich nun von innen oder von außen nass werde ist schließlich egal.

Jetzt wo wieder Luft an den Körper kommt, fällt das radeln leichter. Im Kopf spiele ich sämtliche Zeitmodelle für eine Ankunft durch. Es bleibt dabei. Auch wenn es hier wesentlich weiter im Norden ist als daheim. Ich werde die Etappe heute im Dunkeln beenden müssen. So lange reicht das Tageslicht nun doch nicht. Keine rosige Aussicht für eine Fahrt durch die Vorstädte einer Großstadt.

20 Kilometern habe ich mich im Tal des Evan Water nach oben gearbeitet. Jetzt bleibt es flach gewellt, stückweise sogar wieder leicht bergab. Und es ist trocken. Am Himmel sogar erste blaue Lücken. Ich tausche Poncho gegen Windjacke.

Der Wood Rig (464 m) zwischen Elvanfoot und Crawford an der B7076
Der Wood Rig (464 m) zwischen Elvanfoot und Crawford an der B7076

Noch einmal 15 Kilometer später erreiche ich den Punkt an dem ich von der London-Edinburgh-London-Route abzweige. Diese führt weiter nach Nordosten, ich muss nach Nordwesten. Hier in Abington gibt es direkt am Abzweig einen riesigen Rasthof. Zeit für einen kurzen Stopp um mich ein wenig zu stärken. Nochmal das Wetter checken. Und die weitere Route. Und ein kurzer Anruf bei den Freunden. Sie sind inzwischen gelandet, haben die Autos geholt und das Ferienhaus bezogen. „Melde dich, wenn wir dich abholen sollen.“ Ein verlockendes Angebot. Aber der Ehrgeiz siegt. Ich fahre weiter.

Jetzt bin ich auf einer kahlen Hochebene. Der Wind pfeift ganz ordentlich. Schräg von vorn, da ich nun wieder in westlicher Richtung unterwegs bin. Vielleicht werde ich ja trocken geblasen. Trotzdem ist es ein Kampf. Zeitraubend. Zum Glück gibt es hier einen Radweg neben der Straße, denn der Verkehr ist nun wieder deutlich lebhafter geworden.

Radweg hinter Abington an der B7078
Radweg hinter Abington an der B7078

Knapp 10 Kilometer später macht die Straße einen sanften Bogen. Jetzt kommt der Wind leicht schräg von hinten. Wesentlich angenehmer. Zurück auf der Straße kämpfe ich mich Meile um Meile durch die wellige Landschaft voran. Dann, in Lesmahagow gebe ich doch auf. Ein Anruf. Ich nehme das Angebot an.

Nachdem ich meinen Standort durchgegeben habe, will ich erstmal raus aus den nassen Klamotten. Coram publico ziehe ich mich am Straßenrand um. Es ist eine Wohltat wieder trockene Wäsche am Körper zu haben.

Da ich trotzdem nicht lange warten mag, beschließe ich meinen Freunden noch ein wenig entgegenzufahren. Gute zehn Kilometer schaffe ich noch. In Larkhall, dem ersten größeren Vorort von Glasgow, suche ich mir eine Bank um auf meinen Transport zu warten. Ab hier wird die Streckenführung zu unübersichtlich und wir könnten uns leicht verfehlen. Außerdem hat Larkhall zwei Autobahnausfahrten. Strategisch praktisch.

Lange muss ich nicht warten. Vielleicht eine halbe Stunde. Zum Glück sind die Mietwagen groß. Denn die fast ganze Mannschaft ist mitgefahren. Fahrrad, Anhänger und alle Taschen werden auf beide Autos verteilt und schon geht es los.

Nicht mal eine Stunde später erreichen wir das Ferienhaus in der Nähe von Stirling. Der Anbau eines Farmhauses bietet reichlich Platz für uns alle. Ich stärke mich erstmal, dann kümmere ich mich um die Ausrüstung. Das Zelt und alles was sonst noch nass ist wird zum trocknen in den Wind gehängt. Bei einem gemütlichen Bier klingt der Abend langsam aus.

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de_DEDeutsch