Zu Barnards Türmen und dem Strom des Tees

The Herdsman Pub in North Cowton

(frei nach Rokeby von Sir Walter Scott, 1771 – 1832)

Dienstag, 12. Juni 2018 – Tag 8 – Thirsk bis Barnard Castle
73 km von total 825 km

  • 73 km von total 825 km
  • 4:25:55 Stunden Fahrzeit netto
  • 16,5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit Fahrzeit netto
  • 4:54:10 Stunden Gesamtzeit mit Pausen
  • Heiter bis wolkig, trocken
  • Temperatur 13 – 17 Grad Celsius
  • Wind bis Mittag 14 – 22 km/h (3 – 4 Beaufort) aus NO bis NNO, am Nachmittag 11 – 15 km/h (2 – 3 Beaufort) aus NO

Wieder habe ich gut geschlafen. Aber auch nach einer Woche arbeitet mein Körper noch daran sich auf die tägliche Aktivität einzustellen. Entsprechend müde und kaputt bin ich abends. Das garantiert einen tiefen, langen Schlaf. Erholsam und erfrischend.

Entsprechend motiviert schwinge ich mich nach dem üblichen Morgenprogramm gegen kurz vor zehn Uhr auf das Rad. Wind und Wetter sollten heute kein Problem darstellen. Aber es ist merklich kühler geworden. Tendenz Richtung britischer Sommer. Mein Plan für heute sieht gute siebzig Kilometer vor. Ziel ist Barnard Castle, der nächste Kontrollpunkt von London-Edinburgh-London 2017.

Ich will zuerst auf die Originalstrecke zurück, auch wenn es einen kleinen Umweg bedeutet. Also erstmal wieder zur Ortsmitte von Thirsk. Bei den Supermärkten verpasse ich erstmal den Abzweig. Zu sehr muss ich mich auf den doch recht starken Verkehr konzentrieren. Ein paar hundert Meter weiter endlich eine Gelegenheit das Gespann zu wenden. Nun also raus aus Thirsk und grob Richtung Norden.

Heute rollt es anfangs sehr entspannt. Auf ruhigen Nebenstraßen und durch kleine Ortschaften macht es Spaß zu radeln. Der Anhänger schnurrt brav hinterher und immer öfter denke ich gar nicht mehr an ihn. Erst einmal folge ich dem Fluss Wiske. Zu Beginn fließt er zu meiner Linken, dann auf der rechten Seite. Zwar fahre ich seiner Fließrichtung entgegen, aber in der breiten Flussebene ist es zwar leicht wellig, aber im Großen und Ganzen flach. Das entspannende Gegenteil zu den Howardian Hills von gestern.

Nach gut zwanzig Kilometern in Yafforth verabschiede ich mich vom Wiske. Die schöne Straße wirft erste ernstzunehmendere Wellen. Aber noch läuft es glatt und flüssig. Etwa zehn Kilometer weiter in North Cowton markiert der hübsche Pub „The Herdsman“ das Ende der sanften Hügel und ebenen Straßen. Jetzt beginnt die Arbeit. Auf dem zweiten Teil der Strecke geht es nun stetig mehr oder weniger bergauf. Barnard Castle liegt schon einige Höhenmeter weiter oben. Der Ort ist quasi das Tor zu den Pennines, einem bis über 600 Meter hohem Mittelgebirge, das sich mir danach in den Weg legt.

Hinter Middleton Tyas lande ich kurz auf einer Straße der Kategorie A, was etwa einer deutschen Bundesstraße entspricht. Der Verkehr ist recht lebhaft, aber es geht bergab uns so kann ich sie schnell wieder verlassen. Nur um direkt in den längsten Anstieg des Tages zu fahren. Es soll mir ja nicht zu wohl werden. Vier Kilometer lang, jedoch mit gleichmäßiger Steigung. Alles so zwischen drei und fünf Prozent. Also kleinsten Gang einlegen und locker kurbeln bis oben.

Wenige Kilometer vor meinem Tagesziel erreiche ich den Fluss Tees. Es ist einer der größeren Flüsse Großbritanniens. Er entspringt in den Pennines und mündet bei Middlesbrough in die Nordsee. An dieser Stelle überspannt eine historische Brücke den Fluss. Die Whorlton Bridge wurde 1830/31 erbaut und diente ursprünglich dem Transport von Kohle Richtung Süden. Sie ist die zweitälteste Hängebrücke in Großbritannien. Ich nutze die Gelegenheit für eine letzte Pause, besichtige das interessante Bauwerk und mache einige Fotos.

Ein kurzer knackiger Anstieg führt mich aus dem Flusstal hinauf in den Ort Whorlton und nach sechs weiteren, leicht ansteigenden Kilometern habe ich Barnard Castle erreicht. Die Stadt ist ein hübscher Markflecken mit einer Burgruine und einer historischen Altstadt. Da ich ja lernfähig bin, habe ich mich rechtzeitig über die Lage des Campingplatzes informiert. Er befindet sich gute drei Kilometer westlich der Stadt.

Trotzdem ist die Navigation dorthin etwas schwierig. Als ich die Brücke über den Tees überquere kämpfe ich mal wieder mit den Tücken meines Gespanns. Eigentlich sollte ich rechts abbiegen, da die Ampel aber gerade grün zeigt und ich etwas Schwung von der Brücke mitnehme, muss ich erstmal nach links um ein gefährliches Fahrmanöver zu vermeiden. Also einmal im Kreis durch den Ort. Mit 13% Steigung. Endlich auf der richtigen Straße, geht es weiter munter bergauf. Erst noch zweistellig, dann etwas erträglicher bis maximal 5%.

Mit dem Barnard Castle Camping and Caravaning Club habe ich endlich mal ins Schwarze getroffen. Ein wirklich schöner Platz auf einer offenen Hochebene. Die Dame am Empfang ist sehr freundlich und klärt mich erstmal über den Camping und Caravaning Club auf. Der Club hat in ganz Großbritannien über hundert Campingplätze und man kann sie über das Internet im Voraus buchen. Es gibt auch eine zeitlich begrenzte Mitgliedschaft für ausländische Besucher. Ich verzichte jedoch, da der Preisvorteil die Kosten der Mitgliedschaft vermutlich nicht aufwiegt und ich auch keinen Zugang zu den über tausend Plätzen bekomme, die nur für Mitglieder aus Großbritannien reserviert sind. Das wäre wirklich eine lohnende Zugabe gewesen, die mir viel zusätzliche Flexibilität gebracht hätte.

Da ich schon gegen 15 Uhr den Platz erreicht habe, nehme ich mir vor noch in die Stadt zu gehen. Ich muss sowieso einkaufen und vor allem die Burgruine interessiert mich. Also Zelt aufbauen, duschen und los. Es gibt einen direkten Weg in die Stadt, etwa drei Kilometer. Vorbei an einem Gehöft führt mich der Weg über eine Pferdewiese. Eines der Pferde auf einem abgezäunten Teil der Wiese begleitet mich ein Stück auf meinem Weg.

Am Ende der Wiese hinter einem Gatter beginnt das Naturschutzgebiet Deepdale Wood mit dem Bächlein Deepdale Beck. Der Pfad durch den Wald ist schön schattig. Jedoch ist es bei weitem nicht mehr so warm ist wie an den Tagen zuvor.

An der Mündung des Baches in den Tees erreiche ich Barnard Castle. Die Burgruine liegt direkt auf der anderen Seite des Flusses. Die Ursprünge der Burg stammen aus dem 12. Jahrhundert. Etwa fünfhundert Jahre später wurde die Burg dann aufgegeben und verfiel danach zunehmend. Heute ist nur noch eine, wenn auch imposante, Ruine übrig. Ich schlendere ein wenig über das Gelände. Der innere Bereich ist nur gegen Eintrittsgeld zu besichtigen. Da es schon spät ist, schließt die Burg gerade für Besucher und ein Besuch ist leider keine Option.

Also dann die Verpflegung. Im Zentrum finde ich einen Morrisons und fülle meinen Rucksack mit Köstlichkeiten für den Abend und den nächsten Morgen. Zwei weitere interessante Gebäude waren mir vorhin auf meiner Fahrt durch den Ort aufgefallen. Als Erstes das sogenannte Market Cross aus dem Jahr 1747. In Marktorten dienten solche Gebäude seit dem Mittelalter als Versammlungsplatz, an dem lokal produzierte Butter, Milch und Eier verkauft wurden. Daher ist das Gebäude auch unter dem Namen Butter Market bekannt.

Das zweite sehr impossante Gebäude ist das Bowes Museum aus dem späten 19. Jahrhundert. In dem prächtigen Bau werden Gemälde berühmter Maler, Keramiken, Textilien, Uhren und alte Gegenstädte aus der örtlichen Geschichte ausgestellt. Auch hier war es für einen Besuch zu spät, sodass ich mich mit der Außenansicht begnügen musste.

So langsam macht sich Hunger bemerkbar und ich begebe mich auf den Rückweg. Als ich das Gatter zur Wiese wieder erreiche, erwarten mich schon zwei Pferde und blicken mir mit aufgestellten Ohren entgegen. Sie stehen dort mitten auf meinem Weg zum Campingplatz. Es ist lange her seit ich einem, oder sogar zwei Pferden so nahe und ohne Zaun gegenüber gestanden habe. Trotzdem nehme ich meinen Mut zusammen und betrete die Wiese. Die großen Tiere sind neugierig, wahren aber einen gewissen Abstand. Ich rede beruhigend auf sie und mich ein. Ungehindert lassen sie mich passieren. Ich schaue mich mehrmals um, aber sie folgen mir nicht. Gras fressen ist wichtiger und vermutlich interessanter als ich.

Ein Stückchen weiter erwartet mich wieder mein eingezäunter Begleiter vom Hinweg. Das Tier begleitet mich auch dieses Mal, zumindest soweit es die Umzäunung der Weide erlaubt.

Beim Klick auf das Bild gibt es ein Video auf Youtube zu sehen.

Später köchelt im Topf eine Zwiebelsuppe mit Reis. Cocktailwürstchen kommen auch noch in den Topf. Zum Nachttisch dann Weintrauben und dazu ein kühles Bier in der richtigen Gebindegröße. Ein Abend vor dem Zelt kann so romantisch sein.

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de_DEDeutsch